
Lena, 77 Jahre
[…] Lassen Sie uns gemeinsam in Gedanken auf einen Hundeplatz gehen. Dort, wo Windhundrennen und -ausstellungen stattfinden. Der Platz, eine große Wiese, ist eingerahmt von der Laufbahn für die Rennen mit der Schiene für den Hasenzug. In der Mitte findet die Ausstellung statt. Dafür sind mehrere Stände mit Pavillons für die verschiedenen Windhund-Rassen aufgebaut. Am Stand für die Afghanischen Windhunde steht Lena und begutachtet einzeln und nacheinander jede Hündin und jeden Rüden. Mit ruhiger Stimme und langsamen Bewegungen nähert sie sich respektvoll jedem Hund, nimmt sanft den Kopf in die Hände und schiebt vorsichtig die Lefzen auseinander, um die Zähne zu begutachten. Auch Körperbau und Gangwerk werden geprüft. Dazu lässt sie Hund und Herrchen (oder Frauchen) auf und ab und im Kreis laufen. Ihre Beobachtungen und Wertungen diktiert sie dem Ringschreiber. Und wenn alle Hunde beurteilt wurden, trifft sie schließlich eine Entscheidung und kürt den Sieger. Lena hat es geliebt, im Ring zu stehen. So sehr, dass sie ehrenamtlich und auf eigene Kosten mehrmals im Jahr zu den Ausstellungen fuhr, um dort den ganzen Tag – auch in praller Sonne – als Richterin im Ring zu stehen. So sehr, dass sie dafür die aufwändige Ausbildung auf sich nahm, immerhin fünf Jahre. Bevor es so weit war, stand Lena jahrelang selbst als Ausstellerin im Ring und führte einen ihrer Hunde vor. Von klein auf hatte Lena Hunde, zeitweise sogar fünf Afghanische Windhunde. Ein Leben ohne Hund – für Lena undenkbar.[…]
Konrad, 78 Jahre
[…] Konrad war eine Führungskraft im besten Sinne. Allein schon durch seine große, aufrechte Statur und sein souveränes Auftreten hatten seine Schulungsteilnehmer den Eindruck, hier sind wir richtig, der hat Ahnung. In den Seminaren, die er in den letzten Jahren durchgeführt hat, vermittelte er den Teilnehmern, wie man eine Buchhaltungs- und Controlling-Software bedient. Da saßen also zwölf gestandene Buchhalter, denen er in mehreren Schulungstagen beibringen musste, wie sie ihren Kontenplan in das neue System bekommen, oder wie man eine Lieferantenrechnung bucht. Geduldig erklärte er immer wieder komplexe Zusammenhänge, bis es jeder verstanden hatte. Dabei wendete er sein didaktisches Wissen an, das er im Studium erworben hatte, um die sperrigen Themen begreiflich zu machen. Und mit Beispielen aus seiner beruflichen Praxis als Leiter des Finanz- und Rechnungswesens konnte er die Funktionen anschaulich erläutern. Regelmäßig erhielt er dafür viel Lob und Dank. Und diese Anerkennung bedeutete ihm viel. […]


Erich, 80 Jahre
[…]In der Familie gibt es eine legendäre Anekdote, die Erich sehr anschaulich beschreibt. Bei einem Ausflug nach Trier ging er mit seiner Frau über einen geschichtsträchtigen Platz. Da kam jemand auf ihn zu und sagte „Sie sehen so aus, als wenn Sie Professor wären. Da hinten auf dem Gebäude steht ein lateinischer Text. Könnten Sie uns den bitte übersetzen?“. Mit allem, was derjenige sagte, traf er ins Schwarze. Schon rein äußerlich verkörperte Erich den Typ „zerstreuter Professor“. Und damit nicht genug, verfügte er auch über eine umfangreiche humanistische Bildung. Den lateinischen Text aus dem Stand zu übersetzen – für ihn ein Klacks.[…]